Der Goldene Schnitt
© sdecoret - Adobe Stock

Der Goldene Schnitt

Es gibt viele Theorien, warum nun gerade der Goldene Schnitt mit seinem Teilungsverhältnis als „golden“ bezeichnet wird. Eine der plausibelsten Antworten ist wohl, dass der Goldene Schnitt völlig außerhalb ganzzahliger Werte und Teilungsverhältnisse liegt.

Die Regel für den Goldenen Schnitt entstammt der Harmonielehre der Antike: Ein Punkt muss eine Strecke so teilen, dass sich das längere Stück zum Ganzen verhält wie das kürzere Stück zum längeren. Klingt einfach - die Formel zur Berechnung ist dagegen eher kompliziert und soll Sie hier nicht verwirren. Sie fußt auf der Zahl Phi: 1.618033988749895... aufgerundet 1,62. Es reicht, sich die Faustregel zu merken: Das längere Teilstück entspricht etwas über 60 Prozent des Ganzen, das kürzere fast 40 Prozent. Der Blickpunkt eines Fotos sollte genau im Goldenen Schnitt liegen.

In der Fotografie werden die unterschiedlichsten Formate verwendet, angefangen beim 4:3 Format, wie es zum Beispiel Olympus verwendet (mit einem Teilungsverhältnis von ca. 1,3), über das sehr verbreitete 2:3 Format der gängigen Kameramarken Canon, Nikon usw. (mit einem Teilungsverhältnis von 1,5) bis hin zum Breitwandformat 16:9 (Teilungsverhältnis ca. 1,7) aus der Panoramafotografie. Alle diese Formate lassen keinen wirklichen Goldenen Schnitt zu, sofern man das Bild nicht im Nachhinein in der Bildbearbeitung beschneidet.

Der Goldene Schnitt sollte daher nicht als zwingendes Format für ein gelungenes Fotos betrachtet werden, sondern als ein Hilfsmittel zur harmonischen Gestaltung eines Bilds. In der Symbol- oder Architekturfotografie ist es dagegen oft ein bewusst eingesetztes Stilmittel, vom Goldenen Schnitt abzuweichen und so zum Beispiel perfekte Symmetrie zu zeigen.

Der Effekt dieser Abweichung vom Goldenen Schnitt ist, dass das Auge an einem solchen Foto aufgrund seiner ungewohnten Linienführung hängen bleibt, um herauszufinden, was den Betrachter stört. In der Peoplefotografie wird strenge Symmetrie, abgesehen von wenigen Fotos, als störend empfunden. Gerade im Bereich der Porträtfotografie haben symmetrische Bilder schnell Passbildcharakter und wirken langweilig.

 

Harmonische Wirkung

Um bessere Fotos machen zu können, muss man sich intensiv mit dem Bildaufbau beschäftigen. Das haben wir bereits im vorausgegangenen Kapitel „Die Komposition“ getan. Neben der technischen Qualität spielen der Ausschnitt sowie die Gestaltung des Bildes eine große Rolle. Bilder, die im Goldenen Schnitt angelegt sind, wirken auf den Betrachter immer harmonischer als solche, die die Grundregel nicht befolgen. Dabei ist die Anordnung der einzelnen Bildelemente wichtig.

Doch warum wird diese Aufteilung überhaupt als harmonisch empfunden? Es wird behauptet, der Grund läge darin, dass diese Aufteilung auch in der Natur – zum Beispiel beim Körperbau des Menschen – festzustellen ist. Wissenschaftliche Studien haben jedoch bewiesen, dass für dieses Harmonieempfinden nicht unbedingt ein Verhältnis im Goldenen Schnitt auftreten muss, sondern auch andere Teilungsmöglichkeiten wie eine Drittelung als harmonisch empfunden werden können.

Neben dem Goldenen Schnitt gibt es auch noch weitere „Goldene Verhältnisse“, denen jedoch allen die mathematische Grundformel gemeinsam ist: Das Goldene Dreieck und die Goldene Spirale sowie weitere „Goldene Teilungen“, die sich daraus ableiten lassen.

 

Der Goldene Schnitt in der Praxis

Ein Klassiker aus der Urlaubsfotografie ist der Sonnenuntergang. Bei derartigen Aufnahmen wird der Horizont meist bildmittig und die Sonne im Bildzentrum angeordnet. Solche Fotos sind bestimmt eine schöne Erinnerung, langweilen aber schon alleine wegen des Aufbaus den Betrachter.

Spannender wird das Foto, wenn Sie die Horizontlinie in das untere Bilddrittel versetzen und die Sonne ebenfalls auf einer Drittelline rechts oder links platzieren.

Das Foto wirkt auf den Betrachter harmonischer, weil es annähernd den Regeln des Goldenen Schnitts entspricht. Bei vielen Kameras lassen sich Gitternetzlinien zuschalten, an denen Sie sich bei der Aufnahme orientieren können. Die Umsetzung des Grundgedankens lernen Sie schnell. Schon nach kurzer Zeit platzieren Sie die zentralen Motive des Fotos durch die Wahl des Bildausschnittes automatisch so vor dem restlichen Hintergrund, dass eine Aufteilung von etwa 68:32 gegeben ist.